Eine merkwürdige Geschichte

Es war im Sommer 2001. Ich bekam einen Anruf aus meiner Heimat Türkei. Meine Schwester sagte am Telefon, dass meine Mutter in Ankara im Krankenhaus sei und in zehn Tagen am Herzen operiert würde. Ich rief daraufhin in einem Reisebüro an und buchte für den nächsten Tag einen Flug nach Ankara. Als ich in Ankara ankam, ging ich sofort meine Mutter im Krankenhaus besuchen. Ich teilte ihr mit, dass ich nur eine Woche freibekommen hatte und mir in der Nähe des Krankenhauses eine günstige Pension suchen möchte. Ich fand eine Pension in der Nähe, besuchte meine Mutter jeden Tag und traf auch meine Schwester und andere Verwandte. Ich kenne mich in Ankara nicht so gut aus, deswegen ging ich nach den täglichen Besuchen bei meiner Mutter zum Atatürk Park. Das ist ein großer, wunderschöner Park mitten in der Stadt mit viel Grün, Restaurants, Teehäusern und einem riesigen Teich. Ich ging dort meistens in ein Teehaus, trank Tee, aß manchmal auch eine Kleinigkeit. Vier Tage vor der Operation besuchte ich, wie jeden Tag, meine Mutter. Sie war sehr nervös. Ich versuchte, sie zu beruhigen und sagte, dass alles schon gut gehen würde. Nach dem Besuch ging ich, wie gewohnt, in den Atatürk Park. Diesmal entschied ich, statt ins Teehaus zu gehen, mich auf einer Bank direkt vor den Teich zu setzen. Ich las die Zeitung, die ich mir gerade gekauft hatte. Es war ein wunderschöner Sommertag und der Park war fast menschenleer. Als ich gerade in einen Artikel in der Zeitung vertieft war, hörte ich eine sanfte Stimme hinter mir: „Entschuldigen Sie?“ Ich drehte mich um und sah eine hübsche, sehr gepflegte Frau mit einem etwa vierjährigen Jungen an der Hand. Sie sagte: „Können Sie zwei Minuten auf meinen Sohn aufpassen? Ich muss nämlich dringend zur Toilette und er will nicht mitkommen.“ Ich sagte: „Okay, kein Problem,  kann ich machen.“ Die öffentlichen Toiletten waren direkt hinter meiner Bank. Sie bedankte sich, drückte das Kind in meine Hand und ging. Ich erfuhr von dem Kind, dass es Ali hieß. Ali war ein sehr süßes Kind, hatte dichte schwarze Haare, große, dunkle Augen und ein freches, sympathisches Lächeln. Ich spielte mit Ali ein bisschen Fangen. Dann kam ein Eiswagen und wir holten Eis, setzten uns auf die Bank, aßen unser Eis und hatten Spaß miteinander. Aber plötzlich merkte ich, dass die Mutter von Ali fast eine halbe Stunde weg war. Ich dachte mir aber nichts dabei, es konnten ja irgendwelche Verdauungsstörungen sein. Aber als aus der halben Stunde eine ganze Stunde wurde, wurde ich langsam nervös. Ich guckte in Richtung Toiletten, aber sah niemanden, dann sagte ich zu Ali, dass er reingehen und nach Mama rufen solle. Er zuckte nur mit den Achseln. Mir wurde es langsam unangenehm. Ich rief selbst von der Tür aus in die Damentoilette: „Hallo, ist da Alis Mutter?“ Keine Antwort. Dann forderte ich Ali auf, reinzugehen. Er zuckte wieder mit den Achseln. Ich wusste nicht, was er damit meinte. Meinte er, dass er nicht reingehen wollte, oder dass er mich nicht versteht? Was auch immer. Nach einer Weile, ich mit Ali an der Hand vor dem Damen Klo, kam eine Frau und wollte aufs Klo gehen. Ich bat sie darum, dass sie mal reinschaut, ob überhaupt jemand drin ist, denn es sah sehr leer aus. Sie kam nach zwei Minuten und sagte, dass außer ihr niemand drin sei. Ich war schockiert. Ich hatte mit allem gerechnet, dass sie ohnmächtig geworden ist, dass sie überfallen worden sein könnte, aber dass sie überhaupt nicht da ist, damit hatte ich nicht gerechnet. Ich guckte zu Ali, der hielt meine Hand fest und sah sehr zufrieden aus. In diesem Moment wusste ich nicht, was mit mir geschah. Ich war wie eingefroren und hatte große Bedürfnis nach MAMAAA zu rufen. Dann fiel mir meine Mutter ein. Ich wollte meine Mutter nicht mit so etwas belästigen, aber ich wusste wirklich nicht, was ich sonst machen sollte, denn die Türkei, Ankara war für mich wie ein fremdes Land. Also ging ich zu Mama. Sie war überrascht, als sie mich mit einem Kind sah, aber ihr Gesichtsausdruck sagte mir: „Du hast dich von jemandem verarschen lassen.“ Ich erzählte meiner Mutter die ganze Geschichte. Sie sagte: „So was konnte ja auch nur dir passieren.“ Auch sie versuchte, Ali zu fragen, wo er wohnt, wie die Mama heißt usw. Aber von Ali kam nichts. Er saß sehr zufrieden neben mir, und kaute mit großem Appetit einen Sesamring, den ich ihm unterwegs gekauft hatte. Meine Mutter sagte zu mir, dass ich zur Polizei gehen sollte, aber ich entdeckte dabei – oder bildete ich mir das ein- ihren mitleidsvollen Augenausdruck. Also, ich nahm Ali an die Hand, der ließ meine Hand die ganze Zeit nicht los, und ging zur nächsten Polizeistation. Ich ging mit ihm rein und erzählte dem ersten Polizisten, den ich sah, meine Geschichte. Er brachte mich zum Hauptkommissar. Auch ihm erzählte ich die Geschichte ganz aufwändig. Er hörte mir ganz ruhig zu und hatte so einen Gesichtsausdruck, dass man nicht wusste was in ihm vorging. Nachdem ich fertig war, stand er ganz langsam auf, kam zu mir und sagte, dass ich aufstehen sollte. Ich stand auf, er war einen Kopf kleiner als ich, versuchte aber, mir direkt in die Augen zu sehen. Als ich rätselte, was denn jetzt sei, gab er mir eine kräftige Ohrfeige, so dass ich die gesamten Sterne unseres Sonnensystems vor mir sah. Ich war schockiert und gab mir große Mühe, nicht zurückzuschlagen. Als ich noch mit mir kämpfte, sagte mir dieser Giftzwerg, für wen ich mich wohl halten würde. Weil ich in Deutschland lebe, sollte ich nicht glauben, dass ich hier alles machen kann, was ich will. Es sei immer dasselbe mit uns Deutschländern, wir kommen hierher, machen unschuldige türkische Mädchen an, schwängern sie und hauen nach Deutschland ab. Er sagte noch jede Menge. Ich konnte ihm nicht mehr zuhören, ich zweifelte, ob ich wirklich in dieser Situation drin bin oder ob ich sie träume. Also, der dicke Hauptkommissar schmiss mich raus. Ali sah aus, als ob er von der ganzen Sache gar nicht beeindruckt wäre. Er hielt meine Hand ganz fest und hatte immer noch einen sehr zufriedenen Gesichtsausdruck. Ich muss zugeben, in diesem Moment dachte ich für einen Augenblick, ich sollte Ali einfach loslassen und ganz schnell weglaufen. Aber das konnte ich nicht. Irgendwie tat er mir leid. Und er war mir als Herz gewachsen. Ich dachte, es muss doch in dieser verdammten Stadt möglich sein, die Mutter dieses Kindes zu finden. Aber wie finde ich eine offizielle Stelle, die mir vernünftig zuhört und mir glaubt. Ich hatte ja bei der Polizei eine schreckliche Erfahrung gemacht. Mit sämtlichen Gedanken im Kopf und halb deprimiert lief ich in der Stadt ziellos hin und her. Ali ließ meine Hand keine Minute los. Ich habe ernsthaft daran gedacht, den Jungen nach Deutschland mitzubringen, aber gleich war mir klar, dass das absolut unmöglich war. Wegen des Jungen, den niemand haben wollte, konnte ich wegen Kindesentführung im Knast landen und das konnte weder mir noch Ali etwas nützen. Plötzlich fiel mir ein, dass Ali hungrig sein könnte. Ich hatte morgens früh, bevor ich meine Mutter besuchte, eine Scheibe Brot mit Schafskäse und schwarzem Tee gefrühstückt.. Aber mir war der Appetit vergangen. Ich spürte nur Wut, Angst und Verzweiflung und keinen Hunger. Also ging ich mit Ali in einen Imbiss. Ali aß und trank etwas und wir gingen wieder. Ich wollte nicht unbedingt wieder zu meiner Mutter gehen, weil sie ja wegen ihrer O.P. genug zu kämpfen hatte. Wieder ziellos, Ali an der Hand, lief ich durch die Gegend. Irgendwann merkte ich, dass ich in der Nähe dieser Polizeistation war, wo ich diese kräftige Ohrfeige gekriegt hatte. So wusste ich wo ich mich ungefähr befand. Ich merkte plötzlich, wie müde meine Beine waren. Der arme Ali musste ja total fertig sein vor Müdigkeit. Aber dieses Kind war irgendwie ein Wunder der Natur. Kein Meckern, kein Hunger, keine Müdigkeit, kein Verlangen nach Mama. Nichts! Man hätte denken können, er wäre das glücklichste Kind der Welt. Hauptsache, ich war bei ihm. So ein Grinsen hatte er im Gesicht, die ganze Zeit. Ich entschloss mich, wieder zum Atatürk-Park zu gehen. Vielleicht hatte ich insgeheim die Hoffnung, dass ich dort diese Frau nochmals treffen konnte. Ich bog um die Ecke nach rechts zur Hauptstraße, lief ein paar Schritte und etwa zwanzig bis dreißig Schritte vor mir sah ich eine Frau von hinten, die wie Alis Mama aussah. Ich hatte ja ihre Klamotten nicht so genau beachtet, aber ich glaubte zu wissen, dass sie dieselben Klamotten wie Alis fragliche Mama anhatte. Und die Haare, dieselbe Haarfarbe, dieselbe Haarlänge, also das musste sie sein. Ich hielt Alis Hand noch fester und fing an, hinter ihr herzulaufen. Als ich zwei bis drei Schritte von ihr entfernt war, rief ich ihr zu: „Hallo, halten Sie mal an.“ Sie drehte sich um und als sie mich sah, begann sie zu rennen. Es war aber zu spät. Ich war schon sehr nah und konnte sie schnappen. Ich hielt sie an ihrem Arm ganz fest. Das muss ein total komisches Bild gewesen sein: Mit einer Hand hielt ich die Frau fest und mit der anderen Hand Ali – ich in der Mitte. Ich sagte zu der Frau, dass sie endlich ihr Kind nehmen soll. Sie sagte, dass sie mich nicht kennt. Ich solle sie in Ruhe lassen. Sie kenne weder das Kind noch mich. Sonst riefe sie die Polizei. Ich war wütend. Und ohne zu wollen, fing ich an zu schreien. Es kam zu Handgreiflichkeiten, weil sie sich losreißen und weglaufen wollte. In diesem Moment kamen zwei Polizisten und fragten, was los sei. Ich erklärte soweit ich konnte, denn ich konnte vor Wut nicht mehr richtig reden, was los war. Ich nehme an, sie verstanden mich nicht genau. Die Frau sagte das übliche, dass sie mich und das Kind nicht kennt, dass ich sie belästige usw. Die Polizisten nahmen uns drei mit zur Polizei und Ali hielt immer noch ganz fest meine Hand. Wir kamen schon wieder zu dem Polizeirevier, wo ich heute, vor ein paar Stunden mit Ali war. Sie brachten uns zum Hauptkommissar und ich stand schon wieder vor diesem Giftzwerg, der mich geohrfeigt hatte. Er guckte mich wie ein Ekelpaket an und sagte: „Schon wieder du“. Und die Frau fing an zu reden. Aber der Giftzwerg unterbrach sie und forderte mich und Ali auf, draußen zu warten. Ich ging, mit Ali an der Hand, raus. Wir setzten uns auf die Bank und warteten. Der Kommissar bestellte für die Frau und für sich Cola, Fanta usw. Ich merkte es, als ein Polizist mit dem vollen Tablett reinging. Wir warteten mindestens dreiviertel Stunde, keiner rief uns. Ich weiß nicht, was in dieser Zeit in dem Zimmer passierte. Endlich, irgendwann, rief uns der Giftzwerg rein. Drinnen standen wir alle auf. Der Zwerg sagte, dass er die ganze Geschichte schon von dieser „Dame“ gehört habe und dass ich seine Meinung darüber schon kenne. Ich sagte nur: „Und jetzt?“ Er sagte, es gebe nur eins zu machen. Ich daraufhin, was es denn sei. Der Giftzwerg machte eine ernsthaftes, nachdenkliches Gesicht, überlegte ein bisschen und sagte: Du gehst in diese Ecke des Büros, sie geht in die gegenüberliegende Ecke. Wir lassen das Kind in der Mitte los und werden sehen, zu wem dieses Kind hingeht. Ich sagte, dass dies keine Methode sei, dass es bestimmt sicherere Methoden gebe herauszukriegen, zu wem dieses arme Kind gehöre. Daraufhin sagte der Zwerg ganz weise:“ Mein Sohn, ein Kind wird niemals seine Mutter verleugnen.“ Ich dachte: So was kann es nur in meiner Heimat geben. Ich stand unter Druck und hatte in diesem Moment keine andere Wahl, als diesen lächerlichen Test mitzumachen. Also, ich in die eine Ecke, die Frau in die andere. Der Kommissar nahm das Kind von meiner Hand weg und brachte es in unsere Mitte, dann ließ er seine Hand los. Und zu wem läuft Ali? Richtig: zu mir, ohne zu zögern. Der Giftzwerg guckte mich allwissend an und sagte: „Siehst du, der weiß zu wem er gehört. Ich hatte nicht einmal die Möglichkeit meinen Mund aufzumachen. Er hielt meinen Arm fest und schmiss mich und Ali, der ja immer noch meine Hand ganz fest hielt, nach draußen. Vor dem Polizeirevier begann ich vor Wut zu weinen. Der arme Ali, wo ich da so hockte und weinte. Er versuchte, mich zu trösten, indem er meine Haare sehr sanft streichelte. Ich richtete mich wieder auf und hatte nur einen Gedanken im Kopf: Rache und Gerechtigkeit. Ich entschloss mich, so lange zu warten, bis diese schreckliche Frau rauskam und versteckte mich in einer schattigen Baustelle mit Ali, von wo ich den Eingang des Polizeireviers sehen konnte. Ich und Ali warteten dort sehr lange. Gegenüber meinem Versteck gab es einen Kiosk. Da kaufte ich für mich und Ali ganz schnell was zu Trinken und ein paar Kekse. Ein Glück, dachte ich in diesem Moment, dass Ali ein zufriedenes Kind ist. Kein Meckern, kein Weinen, kein Mucks, gar nichts. Der machte mit mir alles mit, Hauptsache, er konnte meine Hand festhalten. Nach langer Zeit, auch das weiß ich nicht, was sie solange beim Kommissar gemacht hat, kam die Frau raus, die Treppe runter, drehte sich nach rechts und lief ganz gemütlich Richtung Hauptstraße. Ich wartete, bis sie auf die Hauptstraße kam. Dann lief ich mit Ali ganz schnell hinter ihr her. Und endlich erwischte ich sie vor einem Restaurant. Ich sagte zu ihr, dass sie ihr Kind nehmen soll. Sie sagte das übliche, dass sie mich und das Kind nicht kennt, dass ich sie in Ruhe lassen soll. Ich versuchte, ihre Hand zu schnappen. Ich wollte die Hand Alis einfach in ihre Hand drücken und schnell weglaufen. Aber sie hatte meine Absicht bemerkt und versteckte ihre Hände ganz geschickt vor mir. Ich konnte auch nicht so heftig reagieren, die Polizeiwache war ja nicht weit weg. Nach langem hin und her sagte sie zu mir: „Ich werde dir das Kind abnehmen, wenn du mir achttausend Euro gibst.“ Ich war wie von einer Kugel getroffen. Das ganze Theater war deswegen, alles wegen Geld?! Und das arme Kind. Wurde er für diesen Zweck ausgenutzt. Das war mir zu viel. Ich ließ Ali los, hielt die Frau an ihren langen Haaren fest und schlug auf ihr Gesicht: von links, von rechts, mitten in die Kissen, linke Seite vom Plumeau, rechte Seite von der Matratze, dann hörte ich meine Mutter rufen und mich schütteln. Sie sagte: „Hakki, steh auf, um Gottes Willen, du hast einen Albtraum.“ Und was für einen Albtraum. Ich sagte zu meiner Mutter. Mama, ich werde nie wieder, nie wieder bevor ich ins Bett gehe, so kräftig essen, bitte, bitte…. . Hey, ihr seid mir doch nicht böse, oder? Ich mache nur Spaß. Grüße euch alle

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Stuhl

Lieber Gott, gib mir bitte die Kraft eines Stuhls, damit ich trotz der ganzen Ärsche über mir auf die Beinen stehen kann..

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Ein paar Bilder

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Punks Not Dead

1980 bin ich nach Deutschland gekommen. Das Zeitalter der Sex Pistols, Dead Kennedys, The Exploiteds. Der Punk macht seinen Weg. Die Zeit des ‚No Future’. In einem fremden Land, ohne Sprachkenntnisse. Weder habe ich einen Platz zum Schlafen, noch jemanden, den ich kenne. Einige Nächte habe ich in Hinterzimmern von türkischen Teestuben, den Kahves, geschlafen. Doch so leicht zu schlucken war die Situation nicht für mich. Eines Tages, als ich durch die Stadt schlenderte, sah ich vor einer großen, verlassenen Schokoladenfabrik eine Gruppe von Punks. Ich wurde neugierig und beobachtete sie eine Weile. Nach kurzer Zeit verstand ich, dass die Punks die alte Fabrik besetzt hatten.  Die Tür war offen für alle. Als ich eintrat, bemerkte ich die Riesenhalle.  Überall waren Schlafsäcke verteilt, leere Konservendosen, Bierflaschen. Einige unterhielten sich, einige hörten Musik. Die Atmosphäre gefiel mir sehr. Je weiter ich in diese Atmosphäre eintauchte, desto besser verstand ich, dass jeder, der wollte, hätte in dieser Fabrik bleiben können. Also begann ich auch dort zu ‚wohnen’.  Ich möchte nicht so weit ausholen, doch so lernte ich die Punkszene und die Punks kennen und diese ‚Freundschaften’ hielten jahrelang.  Vor allem die Freundschaft mit Zombie (seinen richtigen Namen habe ich erst vor drei Jahren erfahren.) dauert immer noch an. Meine ersten Deutschkenntnisse – von Null an- entsprachen daher auch dem Sprachgebrauch der Punkszene. ‚Die Punkszene’ ist ganz anders als die gewohnte. Statt ‚Lasst uns essen’ sagen sie ‚Lasst uns futtern oder Lasst uns fressen..’ , statt ‚Lasst uns was trinken’ sagen sie ‚Lasst uns saufen’. Da ich deutsch bei ihnen gelernt habe, kamen mir solche Ausdrücke auch recht normal vor. Also ging ich davon aus, dass das der allgemeine Sprachgebrauch sei.

Irgendwann hatte ich eine Freundin, die mich ihren Eltern vorstellen wollte. Dort angekommen – ihre Mutter war noch beim Kochen- roch es nach leckerem Essen und mein Magen knurrte schon vor Hunger.  Nach den üblichen Willkommensfloskeln wartete ich schon im Wohnzimmer darauf, dass bald das Essen aufgetischt wurde. Ich wunderte mich schon, dass es so lange dauerte. Dabei sah ich mir auch das Wohnzimmer genauer an. Die Familie schient gut situiert zu sein. Ich verstand nicht wirklich was gesprochen wurde. ‚Dabei hatte ich doch schon etwas Deutsch gelernt.. Hm..’ Plötzlich erinnerte mich der knurrende Magen daran, wie hungrig ich war. Meinen ganzen Mut zusammengenommen fragte ich: „Hey Leute,  wann gibt’s was zu fressen, ich habe Kohldampf?“

….

Absolute Stille.

Alle schauten mich merkwürdig an. Vorsichtig blickte ich zu Gisela, meiner Freundin.  Ich bemerkte, dass sie rot anlief. Mir wurde klar, dass ich in ein Fettnäpfchen getreten war. Doch in welches? Um sie etwas von der peinlichen Situation abzulenken, erhob ich mich während ich sagte: „Ich gehe mal in die Küche um etwas zu saufen“ und ging Richtung Bad. Gisela folgte mir zügig. Mit dem Zeigefinger vor meiner Nase fuchtelnd und mit verzogener Miene: „Es heißt nicht ‚fressen’, sondern ‚essen’. Nicht ‚saufen’, sondern ‚trinken’.  So wurde mir meine erste richtige Deutschstunde erteilt.

Es waren schwere Zeiten für mich. Nun, 25 Jahre später, ist Gisela verheiratet und Mutter dreier Kinder. Zombie ist leider schon verstorben. Mir wird ganz anders, wenn ich an diese Zeiten denke. Es ist keine Scham oder reue die ich empfinde, sondern etwas Sehnsucht.. Etwas  Freude.. Wie soll ich sagen.. Ein merkwürdiges, angenehmes Gefühl.

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Damals

Ach, wie schön es doch war. Wir kannten weder Internet, noch Handys noch was über die Wirtschaftskrise. Abends lauschten wir gemeinsam ‚ Arkası yarın’, im Radio. Und wenn mal das Sommerkino angekündigt wurde, machten meine Schwester und ich Luftsprünge. Dennoch war es für Erwachsene nicht so einfach. Meine arme Oma und meine Tante kochten die Wäsche der ganzen Familie in großen Kesseln und wuschen sie mit etwas Seife mit der Hand. Meine Schwester und ich hatten die Aufgabe Wasser vom Brunnen des Hababam-Viertels zu holen. Täglich die Kleidung zu wechseln war nicht möglich. 1 Mal wöchentlich. Baden war auch nicht täglich möglich, 1 bis maximal 2 Mal pro Woche. Denn das Wäsche waschen, wie auch das Heißwasser fürs Baden aufzubereiten waren sehr mühselig.  Am Ramadan Monat bereiteten meine Oma und ihre Nachbarinnen gemeinsam Blätterteig und ließen es dann lufttrocknen.. Zum Sahur, dem Fast-Frühstück bevor die Sonne aufgeht, hat sie einige der trockenen Blätter aufgeweicht, sie mit Käse oder Hack belegt und in den Ofen geschmissen.. Dann noch ein Schälchen Kompott dazu.. Welch Genuss! Meine Schwester und ich liebten diese ‚Sahur-Böreks’ und den Kompott. „Unbedingt wollen wir zum Sahur geweckt werden. Und unbedingt wollen wir fasten“, sagten wir. Wir aßen den Börek und schlürften den Kompott aus. Am nächsten Tag war vom Fasten nicht die Rede! Mit Sesamkringel und Schokolade stopften wir unsere Mägen.

So war das. Die Technologie von heute gab es damals nicht. Doch dennoch sind wir herangewachsen, und nicht gestorben. Ich bin gewiss nicht gegen technologische Innovationen, dennoch glaube ich, dass wir einige Vorteile hatten. Videospiele waren noch nicht erfunden. Wir sind auf die Hügel gewandert und haben Tulpen oder Kamillen gepflückt oder haben den Kindern aus dem Nachbarviertel den Kampf angesagt. Wir haben uns an Kutschen oder kleine Lastwagen gehängt, sind oft gefallen und haben uns dabei die Knie oder Ellbogen aufgeschlagen. Manchmal wurden wir auch vom Kutscher verjagt.

Manchmal sind wir mit meiner Oma zum Bach runter um den Teppich zu waschen (Damals floss durch Altındağ ein kristallklares Bächlein). Die Frauen aus der Nachbarschaft gingen zu den Hügeln um Rettich Blätter oder Efeu zu sammeln. Wie sehr meine Mutter saure Rettich Blätter liebte..

Wie komme ich jetzt um diese Zeit auf das alles? Ich habe diese Woche Urlaub und daher viel Zeit zum Nachdenken; vielleicht liegt es daran.. Na ja.. Ich mache jetzt Schluss. Gute Nacht!

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so ist das

Ich lasse mir doch von der Realität nicht vorschreiben was ich wahrnehme.

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Die Vergänglichkeit

Damals hatten wir ein einziges Kino in unserem Viertel, das ‚Zararsız,  (Harmlos ).  Es bot ein Sommer- und Winterkino.

Das Winterkino war wie eine große Halle mit Holzstühlen und Wänden mit altem Putz. Der Eingang war direkt unter der Leinwand und die Toilettengeruch reichte bis in die hintersten Reihen. Die Haltung der Erwachsenen, es sei ihr recht immer und überall rauchen zu dürfen, vernebelte die Sicht auf die Leinwand. Das Winterkino ist also nicht wirklich der Rede wert.

Das Sommerkino jedoch war eine andere Welt. Fernsehen, Computer, Galerien gab es damals ja nicht. Unsere größten Freuden waren es damals Arkası Yarın im Radio zu hören und ins Kino zu gehen.

 

Im Zararsız wurden zwei Filme gespielt. Ein inländischer und ein ausländischer Film. Nachmittags, noch bevor die Sonne unterging, fuhr Gogo Murat mit seinem Dolmuş, der mit Filmplakaten beklebt war, durch die Straßen und rief durch seine Lautsprecher: „Ein Film, den jedes junge Mädchen, jede Mutter und jeder Vater unbedingt sehen muss. Verpassen sie ihn nicht!“.

 

Zwei-drei Stunden bevor der Film begann, lief Musik im Kino. Aber was für eine Musik! So laut, dass das ganze Viertel mithörte. Von Cem Karaca bis hin zu Safiye Ayla war alles dabei. Doch das störte niemanden. Wer hatte schon damals einen Platten- oder Kassettenspieler. Man hat sich eher darüber gefreut gratis Musik hören zu dürfen. Und vor dem Kino wurde auch einiges geboten: reichliche Straßenverkäufer und Stände, an denen Knabberzeug und Limonade verkauft wurden. Ein großes Durcheinander.

 

Niemand betrat ohne Knabberzeug das Kino. Sonnenblumenkerne waren dabei die Favoriten. Bei stillen Filmszenen hörte man daher immer ein durchdringendes Tschit-Tschit-Knabbergeräusch.

 

Es war üblich, dass wir mit der Familie in Zararsız gingen. Doch manchmal war mir das dann doch unangenehm sogar peinlich. Warum?

Ein Beispiel: Es läuft ein Film mit Ömercik und Ediz Hun. Der Junge Ediz Hun spielt den Vater von Ömercik, die Eltern sind getrennt, Doch der Vater versteckt sich auch zugleich vor seinem Sohn und meidet den Kontakt.

Und Wieso tut er das? Weil nach einem Unfall seine komplette linke Gesichtshälfte verbrannt ist und er aufgrund dessen nicht möchte, dass sein Sohn sich für seinen ‚hässlichen Vater’ schämen muss. Also sehr komplexbeladen..

Wie dem auch sei. Eines Tages treffen sie dann doch aufeinander und Ömercik möchte seinem Vater einen Kuss geben. Dieser hält ihm die ‚gesunde’ gesichtshälfte hin, der Sohn sagt jedoch darauf: ‚Nein lieber Vater. Ich möchte die Stelle küssen, die dir so viel Schmerz bereitet’.

Das herzzerreißende  „Oooooch, mein armer Junge, mein Kiiiind“ meiner Tante schallte in diesem Moment durchs ganze Kino. Darauf folgten noch Tränen und in lautes Schnäuzen in ein Taschentuch. Alles schön und gut. Aber dass sie sich dann noch zu mir und meiner Schwester drehen und vorwurfsvoll „Wo gibt’s denn heute zu tage solche Kinder?!“ rufen musste,  war die Höhe!

‚Liebes Tantchen. Wo sollen wir denn jetzt noch einen Vater mit verbrannter Gesichtshälfte finden und ihn derart melancholisch küssen?’

 

Meine Oma, Gott habe sie selig, hasste Hüseyin Baradan. Schon bei seinem ersten Auftritt sagte sie: „Da ist wieder dieser Unhold! Wer weiß, was für Bosheiten er schon in seinem Kopf zusammenspinnt!“

Wenn dann auch noch der Filmheld Baradan zu schlagen begann, legte sie erst richtig los: „Ja, mein Junge! Schlag ihn! Schlag auch auf sein linkes Auge! Schau sich das einer an. Dieser Unhold greift auch noch von hinten an. Pass auf, mein Junge! Hinter diiiir!!!“ Natürlich wurde das alles auch nicht in angemessener Lautstärke gemacht. Nein. Sondern mit lautem Geschrei! Sie vergaß sich selbst, die arme Frau. Unsere Versuche sie zu beruhigen brachten nicht viel. „Oma, das ist doch nur ein Film. Das ist nicht echt! Sei doch bitte still! Du blamierst uns!“ Vergebens.

 

Sogar dass der nun verstorbene Baradan, in seinen letzten Jahren erfolgreich in Komödien und somit ‚guten Rollen’ zu sehen war, hatte die Meinung meiner Oma über ihn nicht ändern können. Wann sie auch sein Gesicht auf einem Filmplakat sah, spuckte sie es an. ‚Pfuiii!’. Da Baradan auch in Izmir lebte, war die Wahrscheinlichkeit hoch, ihn auch mal auf der Straße zu treffen. Daher beteten wir jedes Mal, wenn wir mit meiner Oma in die Stadt gingen, ihm nicht zu begegnen.  Denn wir wussten genau: Würde dies geschehen, hätten wir sie nicht aufhalten können. Sie hätte ihn mit aller Kraft angegriffen!

Zum Glück kam es nie dazu. Doch der Baradan-Hass meiner Oma dauerte bis zu ihrem Tod an.

Später irgendwann eröffnete ein anderes Kino im Viertel, Das Zümrüt. Dann das Coşkun-Kino (ein ausschließliches Sommerkino). Wir gingen aber dennoch ins Zararsiz. Zum einen weil es näher war und aus Gewohnheit und zum anderen auch weil wir den Besitzer und die Kinoangestellten kannten.

Als ich das erste Mal nach Jahren wieder in der Türkei war (1993), führte mich mein Weg in die Straße, in der das Zararsız-Kino einst war. Es stand nicht mehr dort. Man hatte es abgerissen und an seine Stelle ein Festsaal oder ähnliches erbaut. Ich habe Gogo Murat oder Memiş Abi auch nicht aufspüren können. Das einzige was unversehrt noch an Ort und Stelle war, war das Kokluca- Friedhof.

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Der (innere) Kampf

 

Als ich und meine Schwester noch Kinder waren wurde für uns Blei gegossen, um uns vor Nazar, den bösen Blicken,  zu schützen.

Dabei wurden wir über den Kopf mit einer großen Larke bedeckt. Ein mit Wasser befülltes Schälchen wurde über den Kopf gehalten und geschmolzenes Blei in das Wasser gegossen. Von dem Wasser mussten wir dann ritualgemäß ein Schlückchen trinken.  Wahrscheinlich haben wir somit eine Immunität gegen jegliche Bleivergiftung entwickelt.

Eine alte Dame (Oma Emine nannten wir sie)  entnahm die entstandene Bleifigur aus dem Wasser, betrachtete sie eine Weile und analysierte unsere gegenwärtige Gemütslage und sprach über unsere Zukunft.  Ich weiß nicht, ob meine Eltern dieser Sache ernsthaft Glauben schenkten.

Da die Blei-Dame jedoch ohnehin nur Positives über unsere Zukunft zu sagen hatte, empfanden unsere Eltern danach jedes Mal eine tiefe Erleichterung.

 

Eines Tages bekam ich ein kleines Gebetsbüchlein von meinem Großvater mit der Bitte, ich solle die Gebete auswendig lernen.

Wie im Handumdrehen hatte ich das auch geschafft.

Danach brachte er mir das Beten  bei.

In eine Moschee bin ich das erste Mal mit meinem Großvater gegangen, nachdem ich das beten erlernt hatte, ging ich auch alleine hin.

Es passierte auch mal, dass ich mit meinen Freunden während des Gebets pausenlos kicherte. Irgendwann erlosch mein Eifer und die Moscheebesuche wurden seltener. Glücklicherweise drängte mich in der Familie auch niemand dazu.

 

Beim Militärputsch am 27. Mai war ich 3 Jahre alt.

Als die Deniz und seine Freunde  erhängt wurden, 15.

Dann..

lernte ich den Sozialismus kennen, Dank der Denizs*, Aziz Nesin und Nazim Hikmet.

Es interessierte mich allmählich, was die Begriffe Faschismus, Oligarchie, Proletariat zu bedeuten hatten.

Dann..

versuchte ich die Bedeutung des Satzes „Wir haben nicht vor, die Rolle der Sittenpolizei der Welt-Intellektuellen zu werden“ zu erfassen.

*   Im Original: „Denizler“- Plural für Deniz,  Deniz Gezmis ist der Name eines bedeutenden Mitglieds der türkischen 68er Bewegung. Mit ihm wurden 2 weitere Mitglieder, Yusuf Aslan und Hüseyin İnan, erhängt. Mit ‚die Denizs’ meint man diese  drei hingerichteten Mitglieder der Untergrundorganisation und überzeugten Verfechter des Sozialismus und Kemalismus.

 

Um die Bücher zu verstehen, die ich las, legte ich mir ein Buch namens  „Marxistisch-Leninistisches Wörterbuch“ zu.

Dennoch verstand ich bei Weitem nicht alles.

Es war erstaunlich, dass die ‚Revolutionäre’ die bereit waren für das Volk ihr Leben zu lassen, nicht fähig waren, die Sprache des Volkes zu sprechen.

Vielleicht war genau dies der Grund dafür, warum ich zwischen ‚Lang-Haariger-Diskothek-Gänger-&- LedZeppelin-Fanatismus’  und dem ‚Revolutionärs geist’  hin und her schwankte.

Als ich bei der Arme war, erwischte man mich mit einigen marxistisch-leninistischen Büchern und mir wurde eine Haftstrafe erhängt.

Nicht mal die Aussage, legal in der Stadt an die Bücher gekommen zu sein, rettete mich davor. Die folterten mich sogar auch noch..

 

Später kamen diverse  Fraktionen zu Tage:  *‚Dev Yol-Dev Sol’ (Rev Weg-Rev links) , ‚ Halkın Kurtuluşu’ (Die Befreiung des Volkes), ‚ Aydınlık’ (Die Klarheit, Die Erleuchtung), Devrimci Kurtuluş (die Revolutionäre Befreiung) usw. usf.

Alle wollten das Volk befreien.

Die einen stützten sich auf  Lenin, die anderen auf Stalin, wieder andere auf Mao. Es gab sogar Parteien, die sich Enver Hoxha als ihren  mentalen Führer erwählt hatten, und die Haltung vertraten, dass der von Hoxha im Albanien verteidigte Kommunismus die angemessenste politische Umwandlung für die Türkei sei.

Mit Aussagen wie ‚Ich bin der bessere Revolutionär’ begannen sie dann, sich gegenseitig zu schädigen.

Wir haben die erste, zweite und dritte ‚Nationalistische Front’-Regierung miterlebt.

Die Koalition von Türkeş, Demirel und Erbakan, war zugleich die Zeit, in denen der Faschismus seinen Höhepunkt  erreichte.

*   Zum Klang des Namens: Dev ist die Abk. von Devrim (Revolution). Als ‚dev’ existiert jedoch auch ein weiteres sinngemäß ‚Der revolutionäre Weg= Der Weg der Riesen/Großen’Wort, mit der Bedeutung ‚Riese’. Vermutlich wurde auch ein kleines Wortspiel bezweckt, sinngemäß ‚Der revolutionäre Weg= Der Weg der Riesen/Großen’

 

Das sind genau die Zeiten, in denen die MHP (Nationale Bewegungs Partei)-Faschisten sich mit Gruppierungen wie die  Grenzguerilla, die  national-idealistische Jugend, die Grauen Wölfe und ähnlichen Namen organisierten und über die Stränge schlugen.

Während sich die ‚Revolutionäre’ auf der einen Seite verletzten, taten die Faschos alles Erdenkliche, um diese ‚Verletzung’ zu unterstützen, verschleppten und folterten die als ‚Kommunist’ abgestempelten Personen, bevor sie sie schließlich töteten.

Auch Lehrer waren unter den Entführten und Ermordeten..

Fabrikarbeiter..

Bauarbeiter..

Arbeitslose..

Wir wurden Zeuge  des Maraş-Massakers, bei der Kinder, Frauen, Alte und Gebrechliche, Schwangere, Tausende *Pir Sultan Abdâlîs   von den MHP-Faschisten ermordet wurden. Sie stürmten die Häuser unserer alawitischen Brüder, deren Türen sie einen Tag vorher mit weißer Kreise markiert hatten..

 

Wir haben miterlebt, wie der „Vater Demirel“, kokettierend mit seinem fettigen  Doppelkinn, in den Nachrichten verhören ließ „Keiner kann mich dazu bringen zu behaupten, dass die Rechten Menschen töten.“

 

Dann die Çorum-Vorfälle..

Dann..

Die Izmir, Taris-Ereignisse..

Dann..

„Drei Mädchen auf dem şişli-Platz.

Die eine Çiğdem, die andere Nergiz“..

*  Pir Sultan Abdâl (* um 1480 im Dorf Banaz in Sivas; † 1550) war ein türkischer Dichter alawitischen Glaubens, der heute als Freiheitsvorbild vieler Alewiten gilt. ‚Die Pir sultan Abdalis’ wird als Synonym für Menschen alawitischer Glaubensrichtung genutzt.

 

  1. Mai 1977 – das Taksim-Massaker..

Festnahmen, Folter, Arrest..

Eine Jugend, die ‚befreite’ (!) Gebiete verkündete, sich dann jedoch bei der Aufteilung dieser Gebiete wie bei Mafia-Banden tötete.

Der Militärputsch stand bevor. Wir wussten es alle, doch schien es uns egal zu sein..

Dann..

Eine lange Reise nach Deutschland.

Schließlich der Militärputsch mit einer ‚“Sollen wir sie etwa nähren, statt sie zu erhängen?“-Ideologie.

 

Jahr 1980, Alter 22 – Jahr 2014, Alter 57. Mehr als die Hälfte der Lebensdauer ist vergangen, doch der Kampf ist immer noch nicht beendet.

 

Die alte Dame, die Blei über uns gegossen hatte… Wäre sie doch damals nur im Stande gewesen, dass alles vorher zu sehen..

Und wenn.. Hätte es etwas geändert?

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Alabruz

 

Wie sehr ich diese langen Haare liebte. Endsechziger und  70er.. Die Zeit der Grund- und Mittelschule. Die Zeit , in der es modern wurde als Mann langes Haar zu tragen. Wie sehr mir das gefiel. Ich wollte so gern meine Haare wachsen lassen, doch durfte es nicht. Kaum wuschen sie einige Zentimeter über den Nacken, schon musste ich zum Friseur. ‚Alaburus’ musste es sein. Kennt ihr ‚Alaburus’?   Kennt ihr diesen Schnitt? Die abstoßendste Frisur , die es gibt. Vorne werden dir 4-5 cm Haare gelassen, der Rest bis auf ‚dazlak’, den letzten Millimeter, runterrasiert.

„Bitte nicht! Ich flehe euch an! Lasst sie doch noch ein wenig wachsen!“. Die Antwort darauf war immer die Geschichte der Söhne des Metzgers und des Friseurs.

Kennt jemand die Geschichte? Meine Oma erzählte sie mir immer.

Es waren einmal ein Metzger und ein Friseur, die sich tagtäglich neckten. ‚Mein Sohn ist stärker.’ ‚Nein! Meiner ist kräftiger!.’ Um nun endlich die Kräfte beider Söhne zu messen, entschieden sie sich, sie gegeneinander antreten zu lassen. Der Metzger tischte seinem Sohn jeden Tag Fleisch auf. Der Friseur hingegen schnitt seinem Sohn bis zum großen Tag die Haare. Und? Was brachte das nun? Natürlich gewann der Sohn des Friseurs.

Die logische Schlussfolge meiner Oma, die Moral der Geschichte aus Sicht meiner Oma: langes Haar entzieht dem Manne seine Kraft!

 

Was sagt man dazu!!! Letztlich waren wir Kinder und schenkten diesen Märchen auch Glauben. Außerdem glaube ich daran, dass eine nette Absicht hinter all diesen Märchen steckt, die uns aufgetischt wurden. Kurzes Haar erleichterte die Haarpflege. Einem Läusebefall in der Schule wurde vorgebeugt. Des Weiteren, auch wenn wir- Gott sei Dank- nicht sehr arm waren, hatten wir nicht die Möglichkeit tagtäglich Fleisch zu essen.  Vielleicht wurde der Aspekt auch berücksichtigt, als uns diese Märchen erzählt wurden.

‚Aha! Also immer Fleisch zu essen garantiert auch keine Höchstlistung! Aber das regelmäßige Schneiden der Haare schon eher!’

Aber dass es jedes Mal der Alaburus-Schnitt sein musste…

 

Einige Jahre später, im hohen teenager-Alter,  haben wir von Powerlocke bis hin zu Dreadlocks  jede erdenkliche Art der Langhaarfrisuren ausprobiert und unsere Mission erfüllt.

 

Na ja.. Jetzt mal unter uns gesagt: Die Haare sind schon etwas lichter geworden. Und etwas grauer sind sie auch. Damit man das nicht sofort erkennt, gehe ich nun freiwillig zum Friseur um sie kurz und unauffällig zu halten. Doch jedes Mal, wenn ich mich auf einen Friseurstuhl setze, muss ich an die Geschichte der Söhne des Metzgers und des Friseurs denken.. Und jedes Mal muss ich in den Spiegel schauen und schmunzeln.

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Yas 16

Yasin henüz 16, az evvel kizin artik seni sevmedigini söylemis sana, ergenlik denilen illetin verdigi hormonsal sıkınti yetmiyormus gibi birde yasaminin ilk büyük aski terk edivermis seni. Yikilmis bir sekilde dolmus duragina, o ruh haliyle dolmus duragini nasil bulduguna sonradan sende sasiriyorsun. Eve gidip uyumak istiyorsun, uyandiginda hepsinin rüya olma istegi mi var icinde yoksa uykunun yari ölüm hali olduguna inandigindan, hic degilse bir kac saat bu acidan siyrilmanin dayanilmaz istegimi ??…Kendinde bilmiyorsun. Dolmus geliyor, dolu ama senin icin oturcak yer bulunuyor, yolculuk eve dogru, söför bir bir kaset atiyor teybe, yumusacik bir ses sariyor dolmusun icini birden, hic bilmedigin, tanimadigin bir ses, yeni cikmis piyasaya, „Hani biz bir bütündük“ diyor sarkisinda, lan yapma be, bu yoktu hic hesapta iste, gözler doluyor gibi oluyor, gözyaslariyla bogusmanin sonucu olacak, burnunun direginde bir yanma hissediyorsun,  bir an geliyor tutamiyorsun artik gözlerinin yasini, akiyorlar resmen, lan rezil olduk „su ile toprak gibi“- bit lan sarki, neolur bit artik. Baska seyler düsünmeye calisiyorsun gözyaslarini önlemek icin,  millet sana bakiyor, erkek adam aglarmi lan. Aglarmis demek, yer cekimi kanunu gibi bir sey, o göz yaslari akacak.. O zamanlar kagit mendil pek adet degil, karsinda oturan yaslica bir kadin sana tertemiz bir mendil uzatiyor, iste o zaman farkina variyorsun agzinin, burnunun ve gözlerinin salya seline dönüstügünü. Utana sıkıla aliyorsun mendili. „hani nerde ümütlerim“ Tesekkür etmeye bile güc bulamiyorsun kendinde ama yaslica kadinda beklemiyor zaten senden böyle birsey, sadece „üzülme evladim, iyi olur“ diyor sevecen bir ses tonuyla.  „Hepsi sanki bir rüya“ diye bitiyor nihayet sarki, sen agzini burnunu temizliyorsun.Ayni yumusacik sesin baska bir sarkisi basliyor calmaya, „bos ver bos ver arkadas“ pür dikkat dinliyorsun ikinci sarkiyi, icinde belli belirsiz bir gülümseme olusuyor, „baska bulursun“ diyor bu güzel  ses, dogru lan, kizmi yok dünyada anasini satayim diye düsünmeye calisiyorsun, icin biraz yatisir  gibi oluyor ve nihayet inecegin duraga geliyorsun, epey zor duruma düsmüste olsan aglayabilmis olmanin verdigi ferahlik var icinde. Eve geliyorsun, gözler hala hafiften kanli ve sis, „karnin acmi?“ hic istahim yok, „ne yedinki?“ ben uzanacagim biraz,“ bu saatemi?“ evet, yorgunum, ev halki ergenlik cagi anlayisinda, pek düsmüyorlar üzerine, senin kafanda hala bir ugultu „yazik oldu yarinlaraa“, yorgun hissediyorsun kendin, cok yorgun ve yüreginde bu ugultuyla derin bir uykuya daliyorsun hemen, uyaniyorsun bir süre sonra ve bir bakiyorsun ki yas elliyi gecmis, bambaska bir yerde bambaska insanlarla birliktesin. Ne güzel bir anı diyorsun sonra kendi kendine, „ne güzel bir ani“,  iyiki yasamisim.

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